Gelungener Sessions-Start / Entwicklung Karneval

16.11.2018


Dä Tuppes vum Land ist hervorragend in die neue Session gestartet und erntete bereits die ersten Raketen, Zugaben und Applause. So darf es gerne weitergehen.

Schon an diesem Wochenende geht die Tuppes-Tour weiter und ich freue mich auf meine Auftritte. Der November ist ja immer recht spannend. Man probiert vieles aus, guckt was gut ankommt, verfeinert, optimiert und spielt sich warm. Da die Auftritte in der Regel auf 20 bis 25 Minuten begrenzt sind, besteht eine besondere Herausforderung darin, sich für eine begrenzte Zahl an Texten entscheiden zu müssen.


Soll heißen: ich habe wesentlich mehr Text, als ich momentan bringen kann. Aber die Session ist lang und da bleibt noch genug Spielraum, um sämtliche Kreativ-Ergüsse über die Bühnenkante zu schieben. Zuzüglich aktueller Entwicklungen versteht sich, auf die wir alle gespannt sein dürfen.

Bevor es aber gleich wieder auf Ordens-Jagd geht, möchte auch ich mich in die aktuelle Diskussion über die Entwicklung des Karnevals einklinken. Aktuell wird nämlich heiß darüber diskutiert, ob Redebeiträge im Sitzungskarneval noch gefragt sind oder ob die Säle zukünftig nur noch den Musikgruppen gehören.

Mein Statement gleich vorweg: Auf jede ordentliche Sitzung gehören mindestens drei bis vier Redebeiträge! Alles andere ist Party und verdient den Namen Sitzung nicht mehr.

Fakt ist, dass der rheinische Karneval in den letzten Jahren von einer wahrend Band-Flut überspült wurde und es mittlerweile eine kaum noch überschaubare Armada an Musikgruppen gibt. Die meisten dieser Bands sind von hoher Qualität und gutem handwerklichen Können. Da gibt es nix. Auch ich höre kölsche Musik leidenschaftlich gerne, wobei es mir aber zunehmend schwerer fällt, die einzelnen Bands auseinanderzuhalten, da vieles für mich sehr ähnlich klingt.

Fakt ist auch, dass alle Bands ein Management haben, welches dafür sorgt, dass die Nummern auf die Bühne kommen. Das ist schließlich die Aufgabe eines Managements und auch nicht verwerflich. Allerdings, und hier setzt meine Kritik an, wird fast schon reflexartig behauptet: das Publikum will das heute so.

Das sehe ich anders. Mein Eindruck ist, dass hier etwas behauptet wird, was lediglich der Gesetzmäßigkeit einer selbsterfüllenden Prophezeiung folgt. Mit einem Sitzungsformat, welches zu 80% aus Musiknummern besteht, lockt man eine Zielgruppe in die Säle, die sich genau von einem solchen Format angesprochen fühlt. Alle anderen, die gerne eine traditionelle Sitzung erleben möchten, mit einer ausgewogenen Mischung aus Musik, Tanzgruppen und Redebeiträgen, gehen auf diesem Weg verloren. Und mit ihnen unser Fastelovend.

Ein Literat sagte letztens zu mir: „Man kann sich sein Publikum auch erziehen“. Das war mir persönlich eine Spur zu hart. Ich möchte mein Publikum weder erziehen, noch belehren, sondern unterhalten und begeistern. Dennoch steckt in dieser Aussage ein Funke Wahrheit. Ich bin sehr davon überzeugt, dass das was in den Sälen passiert, eng verknüpft ist mit der Frage, welche Kultur man sich als Karnevalsgesellschaft gibt. Setzt man auf Remmidemmi, wird man genau das bekommen und darf sich nicht wundern, wenn das Publikum noch nur auf den Stühlen steht.

Für mich ist eine gute Sitzung, wie ein leckeres Buffet. Wenn die Zutaten hochwertig und abwechslungsreich sind und für jeden etwas dabei ist, dann hat das Buffet seinen Zweck erfüllt. Es soll gut schmecken und nicht einfach nur satt machen.

Vielleicht müssen zukünftige Formate einfach zielgruppengerechter werden. Diejenigen, die nur Musik hören wollen, sollen dies ebenso bekommen, wie diejenigen, die nur Redebeiträge möchten. Selbstverständlich sollen auch diejenigen bedient werden, die es weiterhin gerne gemischt hätten. Vor Jahren war schon mal ein Sitzungs-Siegel im Gespräch, welches vom Festkomitee verliehen werden sollte, sofern bestimmte Qualitätsansprüche erfüllt werden. Vielleicht denkt man auch darüber nochmal intensiver nach.

Damit eng verbunden ist auch das Thema der Nachwuchsförderung, denn diese findet, mit Ausnahme des Literarischen Komitees, defacto nicht statt. Nachwuchsförderung läuft heutzutage so, dass man jemanden auf die Bühne stellt und guckt was passiert. Geht die Nummer durch die Decke, war es Nachwuchsförderung, war die Nummer eher mäßig, kann der Vortragende nach Hause gehen und kommt nie wieder. Dabei gibt es eine Reihe von Talenten, denen man schlicht und ergreifend Zeit zur Entwicklung geben muss. Meines Erachtens wäre es doch schön, wenn jede Gesellschaft mindestens eine/n Nachwuchsredner/in in ihre Programme einbaut. Im Fußball sagt man: Tore schießt nur, wer auf dem Platz steht und Spielpraxis hat. Das ist im Karneval nicht anders.

Ich selbst möchte hiermit auch einen weiterführenden Gedankenaustausch anregen und dazu alle meine Rednerkollegen und Rednerkolleginnen einladen. Lasst uns ins Gespräch kommen und den aktuellen Entwicklungen mit kreativen Ideen begegnen. Gerne stehe ich bei der Entwicklung neuer Formate beratend zur Seite und rege zudem die Gründung einer „Interessengemeinschaft Wortbeitrag“ an.

Tatsache ist, dass die Rede nach wie vor einen hohen Stellenwert hat und vom Großteil des Publikums weiterhin sehr geschätzt und gewünscht wird.

Die klassische Rede macht eine Sitzung erst zur Sitzung. Mir geht es keineswegs darum, die Musik zu verteufeln. Beim besten Willen nicht. Ich liebe Musik! Aber ich denke, dass es an der Zeit ist, über das Maß nachzudenken, da ansonsten die Sitzungsplakate so aussehen, wie die von Rock am Ring.

In diesem Sinne…Kölle Alaaf

Euer Tuppes

Zurück